Bensheim: Ritterplatz

Geschäftshaus

Baujahr: um 1958

Architekt: Ernst-Erich Liesenfeld

empfohlen von: Eva Bambach

Fotos: Eva Bambach

Eine Schönheit auf den dritten Blick ist das Gebäude an der – vom Marktplatz kommend – linken Seite der Einmündung der Hauptstraße in den Ritterplatz. Am meisten springt noch das halbrund gewölbte Schaufenster ins Auge, einmalig in Bensheim und inzwischen allgemein eine bauhistorische Rarität. Der Rest des wohl Ende der 1950er Jahre errichteten Gebäudes verliert sich im Gewirr der Schilder, Pfosten, Kübeln und Pflasterungen der Umgebung. Allzu filigran sind die Details des Gebäudes vielleicht für heutige Verhältnisse.

Da, wo das Wohn- und Geschäftshaus heute steht, befand sich früher das Weingut Louis Guntrum. Der Bensheimer Heimatforscher Rudolf Schmitt berichtet, dass die zugehörigen Gebäude am Ende des Zweiten Weltkrieges durch Bomben zerstört wurden. 1958 habe Gustaf Walter Guntrum das gesamte Areal an die Stadt Bensheim verkauft, die das Gelände neu parzellierte. Den nördlichen Teil erwarben die Familien Heiser und Miconi, die gemeinsam ein Geschäftshaus errichten ließ. Architekt war, so erinnert sich Yvonne Miconi, Ernst-Erich Liesenfeld, der 2011 in Lindenfels gestorben ist.

Ursprünglich in vollkommener Symmetrie: Der mit Leisten und Rahmungen vielfach akzentuierte Doppeleingang.

Im vorderen Teil mit dem markanten Schaufenster betrieb die Familie Miconi dann einen Obst- und Gemüsehandel, im anderen Gebäudeteil befand sich das Juweliergeschäft Heißer. Die Gestaltung greift ganz die Prinzipien der Architektur der 1950er-Jahre auf. Nach dem Motto: „Licht, Luft und Sonne für alle!“ bestimmten möglichst große Fenster das Bild. Dekorative Details und freundliche Materialien sollten die Baukörper mit Stimmung versehen – eine ‚nette‘ Moderne, die das Bauen des Nachkriegswohlstands bestimmte. Merkmale wie ein weit ausschwingendes Vordach und zarte Fensterprofile finden sich auch an unserem Beispiel am Ritterplatz. Leichtigkeit und Transparenz wurden damals geradezu politisch verstanden, als Zeichen für ein demokratisches Bauen jenseits des symmetrischen Pomps der NS-Zeit.

Kühn geschwungen ist das große Schaufenster zum Ritterplatz hin. Aus der Nähe fasziniert der Übergang der im stumpfen Winkel verlaufenden vertikalen Begrenzung zur senkrechten Tür (im Foto verzerrt wiedergegeben).

Fenster waren deshalb prägend für die Formen dieser Architektur: Große, möglichst ungeteilte Glasflächen zwischen fein gegliederten, in den Maßen auf ein Minimum reduzierten Profilen. Neu und sehr beliebt waren in den 1950er-Jahren gold- oder messingfarben eloxierte Aufsteckleisten und Schaufensterprofile aus Leichtmetall.

Typisch 1950er-Jahre: fein profilierte Metalleisten …

… gern in messingfarben

In vielen Städten sind diese Konstruktionen inzwischen unter Denkmalschutz gestellt. Und doch erleidet die Denkmalpflege bei der Verteidigung der filigran profilierten Fenster der 50er-Jahre stetige Niederlagen, etwa in der Abwägung mit den Belangen der Energieeinsparung. Auch die geschwungenen, häufig papierdünn wirkenden Überdachungen fallen heute oft dem gewandelten Zeitgeschmack zum Opfer.

So typisch für die 1950er-Jahre das Gebäude am Ritterplatz auch ist – es nimmt doch offensichtlich Bezug auf die individuelle Situation. Das gesamte Gebäude ist als Rundung angelegt, auf einem Radius, der dem auf Fotos aus der Zeit vor dem Krieg zu erkennenden Grundstücksverlauf entspricht. Das geschwungene Fenster mit seiner ebenso kühnen Überdachung erscheint auch in seinen Dimensionen als Reflex auf den im 19. errichteten klassizistischen Pavillon genau gegenüber an der Ecke zum Stadtpark.